Zeitschriftenartikel:
"Wirtschaftliche Nutzenpotentiale im Internet, Intranet und Extranet"
(Unternehmer-Magazin 9/99: "Große Chancen für den Mittelstand")
Der Einsatz von Internet-Technologien erfordert eine genaue Abwägung zwischen Nutzen, Risiken und Kosten. Erkennen und Verstehen der vielfältigen Möglichkeiten und Potentiale ist Voraussetzung. Was kann im Marketing nützen, den Kundenkontakt fördern, interne Geschäftsabläufe verbessern und externe Geschäftsbeziehungen rationalisieren?

Ob das Internet die Welt genauso revolutionieren wird, wie die Erfindung des Buchdrucks oder des Telefons, soll hier nicht diskutiert werden. Unbestritten ist die Unumkehrbarkeit, die schon jetzt große wirtschaftliche Bedeutung und das imposante Wachstum. Die Entwicklung vieler Unternehmen wird durch das Internet maßgeblich beeinflusst. Firmen, die es ignorieren, gefährden möglicherweise ihre Konkurrenzfähigkeit.

Die Nutzungsmöglichkeiten sind vielschichtig. Eine erste Einordnung soll sich an den drei Begriffen Internet, Intranet und Extranet orientieren.

Internet ermöglicht effektive Kommunikation per E-Mail sowie einen weltweit und rund um die Uhr öffentlich zugänglichen Web-Auftritt. Im Web stehen Marketing und Kundenkontakt im Vordergrund. Wichtig sind Aktualität, Übersichtlichkeit, Informationstiefe und ansprechende Angebote zur Interaktion. E-Services, Online-Dienste und Online-Shopping können das Angebot erweitern.

Intranet dagegen bezeichnet die Anwendung von Internet-Technologien im firmeninternen Netzwerk. Dies kann sich auf das lokale LAN beschränken, es kann auch (bei global operierenden Firmen) ein weltumspannendes privat genutztes Netzwerk sein. Herkömmliche proprietäre Protokolle werden durch Internet-Standards ersetzt (TCP/IP, HTML, XML, Java, E-Mail, etc.). Darauf basieren moderne Kommunikationsprogramme, Groupware, Workflow, DMS, betriebswirtschaftliche Anwendungen, Datenbanken und einiges mehr. Standardisierte Protokolle ermöglichen Datenaustausch zwischen den Anwendungen. Viele Anwendungen lassen sich per einfachem Web-Browser bedienen, es müssen keine proprietären Clients installiert und administriert werden. Das unternehmensweite strukturierte Bereitstellen von Informationen wie auch die chaotische Suche per Stichwort sind leicht einzurichten und sollten zu effektivitätssteigerndem Knowledge-Management ausgebaut werden.

Extranet stellt für externe geschlossene Benutzergruppen Intranet-Zugang per Internet dar. Für bestimmte autorisierte Personenkreise, meistens Lieferanten oder besonders wichtige Großkunden, werden genau definierte Teilbereiche des Intranets zum Zugriff freigegeben. Zum Beispiel könnte so etwa eine Bestellung aufgegeben oder ein Lieferstatus verfolgt werden. Aber nicht nur manueller Zugang ist möglich, ganze Warenwirtschaftssysteme können per durch Firewalls gesicherte VPNs (virtual private Networks) gekoppelt werden. SCM (Supply Chain Management), also Automatisierung der logistischen Handelskette aus Lieferanten, Produzenten und Verkäufern, sorgt für erhebliche Beschleunigung und Kosteneinsparung (Just in Time Production, Lean Production).

Während die genannten Techniken bei Großkonzernen ihre Bewährungsprobe längst bestanden haben, geht der Mittelstand noch eher zögerlich darauf ein. KMUs können sich nicht so einfach eine Experimentierphase oder in den Sand gesetzte Investitionen leisten. Prominente gescheiterte Beispiele verunsichern. Allerdings gibt es einzelne Flops ebenso in anderen Bereichen (besonders spektakulär etwa beim anerkanntermaßen bewährten SAP R/3®).

Die einfache Web-Präsenz eignet sich als Einstieg. Die Einrichtung und Wartung eines eigenen Web-Servers ist nicht notwendig. Externen Webspace und den eigenen Domain-Namen gibt es fast geschenkt. Aber es sollten nicht einfach die Print-Prospekte in das Web kopiert werden, sondern die spezifischen Vorteile genutzt werden, wie Aktualität, Interaktivität und beliebige Verzweigungsmöglichkeit, etwa zur Informationsvertiefung. Eine Internet-Agentur sollte nicht nur bunte Bilder produzieren, sondern Übersichtlichkeit und Geradlinigkeit. Die erfolgreichsten Web-Sites sind besonders schlichte, wie etwa Yahoo. Viel Spielraum muss für häufige Aktualisierungen einkalkuliert werden. Die Gesamtkosten eines mittleren Internet-Auftritts werden im Durchschnitt mit 10.000 bis 30.000 Euro pro Jahr angesetzt. Bei Großunternehmen sind es mindestens mehrere 100.000 Euro pro Jahr.

Genauso klar muss Intranet bejaht werden. Hier kann ebenso klein angefangen werden und ohne Risiko sukzessive ausgebaut werden. Der Übergang vom herkömmlichen LAN zum Intranet erfolgt fließend. Andererseits lohnt sich eine Beschleunigung. Bei kaum einer anderen Technik wird der ROI (Return on Investment) so übereinstimmend als sehr kurz eingeschätzt.

E-Commerce ist, wie jeder Umbruch, schwierig. Es mehren sich die Berichte, wo die ursprüngliche Goldgräberstimmung der Ernüchterung gewichen ist. Nur wenige Firmen werden wie Amazon für jährliche Verluste in Millionenhöhe mit steigenden Aktienkursen belohnt. Die meisten Unternehmen sind darauf angewiesen, Gewinne zu erwirtschaften. Andererseits sind sich alle Marktforscher darin einig, dem E-Commerce eine goldene Zukunft zu prophezeien. IDC schätzt die jährliche Steigerungsrate auf 140 Prozent, kein anderer Wirtschaftssektor wächst so rasant.

E-Commerce zum Endkunden (Customer-to-Business), also Online-Shopping, kann bereits einige erfolgreiche Branchen vorweisen. Vorteile sind für den Kunden die Zeitersparnis beim Einkauf und für den Anbieter die Kostenreduktion. Eventuell kann der Zwischenhandel übersprungen werden. Der Computer-Hersteller Dell etwa verdient seit Jahren Millionen pro Tag per Internet-Verkauf. Weiterhin lassen sich Software, Bücher, CDs und Reisen sehr gut profitabel verkaufen. Andere Branchen haben es schwerer. Das größte Hemmnis sind die oft unübersichtlichen Web-Kataloge. Die noch geringe Verbreitung sicherer Internet-Zahlungsmethoden (wie etwa SET) behindern weniger, da die im Versandhandel üblichen Wege ausreichen. Für einen Online-Shop genügt die einfache Web-Präsenz nicht mehr. Der Web-Server muss in das Warenwirtschaftssystem eingebunden sein. Betriebsbereitschaft und Schutz gegen Hacker muss rund um die Uhr gewährleistet werden. Die Zahlungsabwicklung muss reibungslos funktionieren. Der Aufwand für die physikalische Logistik darf nicht unterschätzt werden. Service-Anfragen müssen beantwortet, Reklamationen abgewickelt und Mahnungen verwaltet werden. Der Fachverband Informationstechnik im VDMA und ZVEI veranschlagt die durchschnittlichen Kosten für die Einrichtung von Online-Shopping auf mehr als 40.000 Euro und die monatliche Pflege auf 5.000 Euro. Großunternehmen investieren laut Gartner durchschnittlich eine Million Dollar in den Online-Handel.

Beim E-Commerce zwischen Geschäftspartnern (Business-to-Business) werden schnellere Erfolge erwartet. Man kennt seine Partner. Es gibt eingefahrene Verfahrensweisen und die Zahlungsabwicklung funktioniert. Beide Seiten profitieren durch schnellere Bearbeitung und geringere Kosten. Bei der Kopplung der Warenwirtschaftssysteme (B-to-B-Extranet, Dynamic Trading Network, SCM) sind allerdings einige Hürden zu überwinden. Selbst wenn beide Geschäftspartner die gleiche betriebswirtschaftliche ERP-Software (etwa SAP R/3®) einsetzen, sind erhebliche Anpassungen auf Grund verschiedener Implementierungen erforderlich. EAI-Middleware (Enterprise Application Integration) muss individuell (teuer) erstellt werden. Erleichtern wird diese Aufgabe in Zukunft EDI per XML oder andere auf XML basierende Protokolle.

Welche Zukunftstrends sind zu erwarten? Wünschenswert wären mehr Sicherheit, Verbindlichkeit und Vertrauen, vielleicht werden digitale Signaturen dazu beitragen. SET für kreditkartenbasierte Bezahlung hat gute Chancen, wenn es auch für Kleinbeträge unter 20 DM zu teuer ist, wo sich die Geldkarte anbietet. WebTV und Set-Top-Boxen für den Fernseher erscheinen dem ernsthaften Internet-Nutzer auf Grund der vielen Einschränkungen als Rückschritt, allerdings könnten sie den kommerziellen Durchbruch zum "Internet im Wohnzimmer" bringen. Leicht vorhersagbar ist der kräftige Anstieg verfügbarer Bandbreite, sobald Megabit/s-schnelle Internet-Zugänge preiswert verfügbar sind. ADSL ist bereits eingeführt, TV-Kabel und Satellit müssen noch rückkanalfähig werden. Im universitären Bereich werden bereits Gigabit/s-schnelle Backbones verlegt (USA: Internet2/UCAID, BRD: G-WiN/DFN). GSM soll durch UMTS abgelöst werden, womit auch mobiles Surfen schnell wird. WAP (Wireless Application Protocol) kann Internet-Inhalte auf den kleinen Displays von Handys darstellen. Nachrichten, Aktienkurse, Fahrpläne, Telefonnummern sowie E-Mails sind interaktiv abrufbar. Java-Fähigkeit und Authentifizierung des Handy-Besitzers erschließen kommerzielle Anwendungen, wie Online-Shopping, -Bezahlung und -Banking.

Neue Technologien bedingen immer auch zahlreiche neue Begriffe und Abkürzungen. Viele finden Sie im "Internet-Glossar" erläutert. Für weitergehendes Interesse sei das Buch "Internet - Intranet - Extranet, Potentiale im Unternehmen" empfohlen.
Internet - Intranet - Extranet:  Potentiale im Unternehmen;  Torsten Horn

Internet - Intranet - Extranet
Potentiale im Unternehmen

Torsten Horn

R. Oldenbourg Verlag
1999, 428 Seiten,
ISBN 3-486-25129-5
 © 1999-2007 Torsten Horn, Aachen